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Das KorrStrÄG 2023 und seine Auswirkung auf die Praxis

Beitrag von Mag. Marek Sitner und Mag. Daniel Tiroch


Wurden mit der grundlegenden Erweiterung des Anwendungsbereichs der Korruptionsstrafgesetze Lücken im Strafrecht geschlossen, welche durch das Ibiza-Video evident wurden?


Hintergrund der Novelle

Im Regierungsprogramm der aktuellen österreichischen Bundesregierung wurde dem Bereich „Justiz & Konsumentenschutz“ eine wesentliche Rolle eingeräumt (Regierungsprogramm 2020-2024, S. 21ff). Ziel sollte sein, neue Formen und Ausprägungen der Korruption durch das Strafrecht zu pönalisieren und bestehende Lücken zu schließen.

Medialer Ausgangspunkt für die erfolgte Verabschiedung des Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2023 (kurz KorrStrÄG 2023; BGBl 100/2023) war die bekannte „Ibiza-Affäre“, welche in Folge sogar zur Auflösung der Regierungszusammenarbeit führte. Diesbezüglich wurde medial von den beteiligten Personen betont, dass sie selbst zum Zeitpunkt der aufgenommenen Aussagen keine Amtsträger gewesen wären, weshalb unabhängig vom Inhalt und der rechtlichen Einstufung der Gespräche eine Anwendbarkeit des zweiundzwanzigsten Abschnittes des Strafgesetzbuches („Strafbare Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandte strafbare Handlungen“) grundsätzlich ausgeschlossen sei. Tatsächlich war eine bestehende Amtsträgereigenschaft bislang zwingende Voraussetzung für die Bestrafung wegen zahlreicher Korruptionsstrafdelikte, wie etwa wegen Bestechung und Bestechlichkeit.

Durch die im Rahmen des KorrStrÄG 2023 eingeführte Neudefinition des Amtsträgerbegriffes (74 Abs 1 Z 4d StGB) werden in Zukunft auch Personen von weiten Teilen Korruptionsstrafrechts umfasst, welche die Amtsträgereigenschaft erst anstreben, sofern die Erlangung dieser Eigenschaft nicht gänzlich unwahrscheinlich ist. Damit wird in Zukunft das Argument, dass man ein Amt erst anstrebe und nicht innehabe, nicht mehr ausreichen, um die Anwendbarkeit zahlreicher Korruptionsstrafbestimmungen von vornherein auszuschließen.


Zur Neuregelung des Amtsträgerbegriffes im Detail

Um in die Strafbarkeit der einschlägigen Korruptionsdelikte (etwa §§ 304/305 StGB bzw. des §§ 307/307a StGB) zu gelangen, musste man bisher ein Amtsträger im Sinne des § 74 Abs 1 Z 4a StGB sein. Das bedeutet, dass Täter (bei §§ 304/305 StGB) bzw. bestochene Person (bei §§ 307/307a StGB) schon im Tatzeitpunkt Amtsträger sein mussten. Durch die Novelle hat sich dies allerdings geändert. Nunmehr wird die Strafbarkeit auf Personen ausgedehnt, die im Tatzeitpunkt über keine Amtsträgereigenschaft verfügen. Um klar hervorzuheben, welche Personen im Tatzeitpunkt noch keine Amtsträgereigenschaft aufweisen können, jedoch vom novellierten Tatbestand erfasst werden sollen, wurde die Begriffsbestimmung des „Kandidaten für ein Amt“ in § 74 Abs 1 Z 4d StGB eingefügt. Gemäß des neuen § 74 Abs 1 Z 4d StGB ist ein Kandidat für ein Amt jede Person, die sich in einem Wahlkampf, einem Bewerbungs- oder Auswahlverfahren zu einer Funktion als Amtsträger oder in einer vergleichbaren Position zur Erlangung einer von ihm angestrebten Funktion als oberstes Vollzugsorgan des Bundes oder eines Bundeslandes oder als Organ zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung befindet.

Durch diese Option sollen auch die Fälle abgedeckt werden, bei denen Personen in eine von ihnen angestrebte Funktion als oberstes Vollzugsorgan des Bundes oder eines Bundeslandes oder als Organ zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung gelangen, ohne dass sie gewählt wurden oder sich einem Bewerbungs- oder Auswahlverfahren unterzogen haben. Davon sind etwa jegliche Bundesminister, Staatssekretäre, die Mitglieder der Landesregierungen samt Landeshauptleute, die Präsidenten der Rechnungshöfe betroffen, sofern keine Wahl bzw. kein Bewerbungs- oder Auswahlverfahren ihrer Ernennung voran geht. Demnach wird auch hier die Strafbarkeit an die Bedingung geknüpft, dass der Täter die Stellung als Amtsträger in der Folge auch tatsächlich erlangt, sofern der Vorteil nicht bereits angenommen oder gewährt wurde.

Änderung der höchsten Strafdrohung

In den zahlreichen medial begleiteten Korruptionsprozessen der Vergangenheit ging es teilweise um sehr hohe Schadensbeträge bzw. um sehr hohe Bestechungszahlungen. Der Gesetzgeber hat daher eine neue Wertqualifikation für einen EUR 300.000,- übersteigenden Wert des Vorteils eingeführt, um auch für diese Fälle in Zukunft einer höheren Strafnorm zu unterwerfen. Demnach betragen die Strafdrohungen des § 304 Abs. 2 letzter Satz StGB und § 307 Abs. 2 letzter Satz StGB nunmehr ein bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe. Für Kandidaten für ein Amt nach § 304 Abs. 1a StGB und § 307 Abs. 1a StGB gelten diese Strafdrohungen ebenso. In den weiteren Tatbeständen nach § 305, § 306, § 307a und § 307b StGB betragen nunmehr bei einem EUR 300.000,- übersteigenden Wert des Vorteils die Strafdrohungen ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe und wurden damit ebenso erhöht.

Änderung der Geldbuße für Verbände im Sinne des Verbandsverantwortlichkeitsgesetz

Auch in Bezug auf Verbände im Sinne des Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) wurden die Geldbußen geändert. Die grundsätzliche Sanktionierungsmöglichkeit dieses Gesetzes blieb dabei unverändert. Das bedeutet, dass weiterhin als mögliche Strafe Geldbußen verhängt werden können, die an ein Tagessatzsystem geknüpft sind. Allerdings war die Höhe eines Tagessatzes vor der Novelle mit maximal EUR 10.000,- gedeckelt. Durch die Novelle wurde diese Deckelung angehoben, nämlich um das Dreifache, also von EUR 10.000,- auf nunmehr EUR 30.000,-. Die Geldbuße für Verbände beträgt daher künftig maximal EUR 5,4 Mio - 180 Tagessätze à EUR 30.000,-.

Der neue Tatbestand “Mandatskauf” im Sinne des § 265a StGB

Unter dem Begriff “Mandatskauf” versteht man die Zuwendung von Entgelt an Parteiverantwortliche Personen von wahlwerbenden Parteien. Darunter sind Personen zu verstehen, welche Einfluss auf die Zuteilung eines Mandates im Nationalrat, Landtag oder Europäischen Parlament nehmen können.  Es sind daher vor allem Vorgänge vor einer Wahl gemeint, wie z.B. die Aufnahme eines Namens in den Wahlvorschlag. Anfänglich sollten im ursprünglichen Gesetzesentwurf auch Wahlen zum Gemeinderat oder zu den Bezirksvertretungen vom Tatbestand des § 265a StGB umfasst sein, wurden jedoch schlussendlich von der gültigen Fassung ausgenommen.

Herzstück des neu eingeführten Tatbestands ist, dass der Täter bzw. die Täter ein Entgelt für die Einflussnahme auf die Zuteilung eines Mandats fordert, annimmt oder sich versprechen lässt bzw. anbietet, verspricht oder gewährt. Nachträgliche Mandatszuteilungsänderungen, die ohne eine Zuwendung von Entgelt vorgenommen werden, z.B. weil diese im politischen Interesse sind, fallen nicht unter den Tatbestand des § 265a StGB. Parteiinterne Vorgänge sind in letzter Konsequenz gegenüber den Wählern zu verantworten, sollen aber auch weiterhin nicht dem gerichtlichen Strafrecht unterliegen.

In Summe hat der Gesetzgeber hier eine Reihe von Änderungen verabschiedet, welche zumindest in der Vergangenheit geeignet gewesen wären, zahlreiche Korruptionsprozesse zu führen und auf die neuen Erscheinungsformen von Korruption zu reagieren. Gerade das Korruptionsstrafrecht ist jedoch geprägt von großer krimineller Energie und so steht zu befürchten, dass in der Praxis neue Ausgestaltungen von Korruption erscheinen werden, welche bisher nicht vom Gesetzgeber bedacht wurden. 

8. Jänner 2024


Mag. Marek Sitner

studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien, absolvierte sein Gerichtsjahr unter anderem bei der Staatsanwaltschaft, ist Gründer von „Jus-Starthilfe“, Autor, Kolumnist sowie Vortragender. Darüber hinaus arbeitete er mehr als zehn Jahre lang in renommierten Wiener Anwaltskanzleien und begleitete zahlreiche Mandantinnen und Mandanten in, teilweise medial begleiteten, Gerichtsprozessen in ganz Österreich. 


Mag. Daniel Tiroch

studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien, absolvierte sein Gerichtsjahr unter anderem bei der Staatsanwaltschaft und arbeitet seit Jahren in einer renommierten Anwaltskanzlei. Zusätzlich ist er als Vortragender und Autor im Bereich des Strafrechts tätig. Sein Fokus liegt dabei auf der Strafprozessordnung sowie auf den Bereich der Folgen der Straftat.


Foto: Privat

 

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