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Kündigung und Entlassung von 3G- und Impfverweigerern

Beitrag von Dr.in Karolin Andréewitch-Wallner und Sophie Pfitzner LL.M. (WU), BSc (WU)


Im Februar 2022 trat in Österreich das COVID-19-Impfpflichtgesetz („COVID-19-IG“) in Kraft. Das Impfpflichtgesetz selbst beinhaltet keine arbeitsrechtlichen Reglungen. Stattdessen gilt seit November 2021 die 3G-Regel am Arbeitsplatz, die nach derzeitigem Stand auch weiterhin bestehen bleiben soll. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob und in welcher Form Arbeitgeber:innen („AG“) Arbeitsverhältnisse beenden können, wenn Arbeitnehmer:innen („AN“) keinen 3G- bzw 2G-Nachweis vorlegen können.

Kündigung wegen Verstoß gegen die 3G-Pflicht 

In Österreich besteht grundsätzlich Kündigungsfreiheit, weshalb ein Arbeitsverhältnis jederzeit vom AG ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann. AN können eine Kündigung aber zB wegen Sozialwidrigkeit anfechten, wenn diese wesentliche Interessen des AN nachteilig berührt. Der AG könnte die Kündigung diesfalls mit personenbezogenen oder betriebsbedingten Gründen rechtfertigen. 

Weigert sich der AN – trotz gesetzlicher Verpflichtung – zur Erbringung eines 3G-Nachweises am Arbeitsplatz, muss der AG den AN nach Hause schicken. IdR werden AN sodann nicht in der Lage sein, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erfüllen. Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn AN und AG eine Homeoffice-Vereinbarung getroffen haben. Können AN ihre Arbeitsleistung nicht vertragsgemäß erbringen, werden die betrieblichen Interessen des AG nachteilig berührt und kann uE ein personenbedingter Kündigungsgrund verwirklicht sein. Dabei sind aber stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Trifft den AN kein Verschulden an einer nicht durchgeführten oder verspäteten Testauswertung, ist eine Kündigung uE nicht gerechtfertigt. Zudem wird ein eimaliger Verstoß gegen die 3G-Pflicht idR ebenfalls noch keine Kündigung rechtfertigen. Verstoßen AN trotz Ermahnung durch den AG wiederholt und verschuldet gegen die 3G-Pflicht, kommt eine Kündigung aber sehr wohl in Betracht. 

Auch Entlassung bei 3G-Pflichtverstoß möglich 

Können AN keinen 3G-Nachweis vorlegen und sind daher nicht in der Lage, ihre arbeitsvertraglichen Leistungen zu erbringen, kommt auch eine Entlassung wegen Dienstunfähigkeit gem § 27 Z 2 AngG bzw § 82 lit b GewO 1859 in Betracht. Anders ist die Situation hingegen zu beurteilen, wenn AN im Homeoffice tätig sind oder sonst wegen mangelnder physischer Kontakte von der 3G-Pflicht ausgenommen sind. Auch bei Entlassungen ist zu unterscheiden, ob AN bloß einmalig keinen 3G-Nachweis vorlegen können oder wiederholt und beharrlich gegen die 3G-Pflicht verstoßen.

Keine Beendigung wegen Impfverweigerung  

Trotz Inkrafttreten der Impfpflicht gilt am Arbeitsplatz weiterhin die 3G-Regel. In dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist dessen klare Intention zu erkennen, Ungeimpfte, die genesen oder getestet sind, auch weiterhin unbeschränkten Zugang zum Arbeitsplatz zu ermöglichen und sie damit in der Erwerbstätigkeit zu halten. AN müssen daher einer Weisung des AG, sich impfen zu lassen, weiterhin nicht Folge leisten. Eine Kündigung wegen der Impfverweigerung allein wird daher idR nicht zulässig sein.

Kündigung bzw Entlassung mangels 2G-Nachweis in begründeten Fällen möglich

Gemäß § 10 der 4. COVID-19-MV dürfen AG aber in „begründeten Fällen“ strengere Regelungen vorsehen und die Einführung von 2G am Arbeitsplatz kann bei entsprechender Rechtfertigung zulässig sein. Denkbar ist eine 2G-Pflicht zB bei Gesundheitsberufen oder für Tätigkeiten, die mit einer erhöhten Reisetätigkeit in andere Länder verbunden sind und wo eine Einreise nur für Geimpfte möglich ist. In einem solchen Fall könnte die Einführung von 2G am Arbeitsplatz und eine Kündigung oder mitunter sogar Entlassung wegen der Nichtbefolgung der Weisung als ultima ratio gerechtfertigt sein.

23. Februar 2022



Dr.in Karolin Andréewitch-Wallner 

ist Partnerin bei E+H Rechtsanwälte GmbH und Mitglied der Praxisgruppen Arbeitsrecht und Prozessführung. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung in sämtlichen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts sowie in der Betreuung arbeitsrechtlicher Gerichtsverfahren. Vor ihrem Eintritt bei E+H war sie als Universitätsassistentin an der WU Wien und bei einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei tätig.

Sophie Pfitzner LL.M. (WU), BSc (WU) 

ist Rechtsanwaltsanwärterin bei der E+H Rechtsanwälte GmbH; ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind individuelles und kollektives Arbeitsrecht, Manager-Anstellungsverträge sowie Umstrukturierungen im Personalbereich. Vor ihrer Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärterin war sie ua bei einer internationalen Steuerberatungskanzlei als Berufsanwärterin tätig und verfügt über umfangreiches Know-how im internationalen Steuer- und Sozialversicherungsrecht.




Karolin Andréewitch-Wallner 

© E+H

 

Sophie Pfitzner

© E+H

 

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